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Lage der Pressefreiheit in Kambodscha: „Journalismus ist kein Verbrechen“

Lage der Pressefreiheit in Asien (Copyright: Reporter ohne Grenzen)
Übersicht über die Lage der Pressefreiheit in Asien (Copyright: Reporter ohne Grenzen)

Unabhängiger Journalismus steht unter Druck. Anne Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen erklärt die Situation – und macht Hoffnung.

Kambodscha liegt in der Rangliste von Reporter ohne Grenzen mittlerweile auf Platz 161 von 180 beobachteten Ländern bzw. Territorien. Die Lage der Pressefreiheit wird als „sehr ernst“ eingestuft:  Medienschaffende in Kambodscha werden vermehrt verfolgt und sind starken Repressionen ausgesetzt. Unabhängiger Journalismus steht unter großem Druck.

Zur Situation der Medien und Journalist:innen in Kambodscha hat die Stiftung Asienhaus Anne Renzenbrink von der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen interviewt.

Welche Folgen hat eine unfreie Presse oder eingeschränkte Pressefreiheit für eine Gesellschaft, für den Einzelnen?

Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft.

Journalist:innen müssen den Mächtigen auf die Finger schauen und über Unrecht, über Machtmissbrauch und Korruption berichten können. Wo nicht unabhängig berichtet werden darf, finden keine öffentliche Kontrolle und keine freie Meinungsbildung statt. Und dort, wo keine unabhängige Berichterstattung möglich ist, werden häufig auch andere Menschenrechte verletzt. Daher ist die Freiheit zu informieren und informiert zu werden immer auch ein zuverlässiger Gradmesser für die Achtung der Menschenrechte in einem Land.

Wie erhebt Reporter ohne Grenzen eigentlich die Daten für seine Rangliste der Pressefreiheit?

Die Rangliste basiert zum einen auf einem Fragebogen mit über 120 Fragen, den ausgewählte Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen in den jeweiligen Ländern ausfüllen. Zum anderen basiert sie auf quantitativen Erhebungen zur Sicherheit von Journalist:innen und Medien. Dabei fließen unter anderem Festnahmen und Tötungen von Journalist:innen in die Bewertung ein. Wir arbeiten für unsere täglichen Recherchen weltweit mit rund 130 Korrespondent:innen und mit Partnerorganisationen zusammen. Viele von ihnen bleiben anonym, denn die Sicherheit unserer Mitarbeitenden hat immer höchste Priorität.

Weltkarte der Pressefreiheit

Zunehmender Autoritarismus und ökonomischer Druck

Wenn man eure Rangliste betrachtet, zeigt sich: Weltweit verschlechtert sich die Lage der Pressefreiheit. Woran liegt das, woher kommt dieser Trend?

Auf unserer neuen Rangliste der Pressefreiheit ist die Situation für Journalist:innen in 90 von 180 Ländern „schwierig“ oder „sehr ernst“. Dafür ist neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus auch der ökonomische Druck verantwortlich. Unsere Analyse zeigt, dass sich Medienschaffende und Redaktionen in allen Teilen der Welt zunehmend zwischen dem Streben nach redaktioneller Unabhängigkeit und ihrem wirtschaftlichen Überleben aufreiben.

Im Vorgespräch hast du gesagt, dass es für das Verständnis der Lage von Medienschaffenden im Land wichtig sei, nicht nur den Rang eines Landes anzuschauen, sondern auch die einzelnen Indikatoren. Kannst du das genauer erklären?

Aus methodischen Gründen kann ein Land aufsteigen, obwohl sich die Lage verschlechtert hat. Das gilt etwa für Afghanistan, wo die Taliban weiterhin systematisch kritischen Journalismus unterdrücken. Das Land ist aufgestiegen, weil andere Länder auf der Rangliste nach unten gerückt sind. Der Ranglistenplatz ist also nicht immer aussagekräftig. Wichtig ist, auch auf die Gesamtpunktzahl zu schauen. Ist sie gefallen, hat sich die Lage tatsächlich verschlechtert.

Interessant ist auch ein Blick auf die Punktzahl der fünf Kategorien Sicherheit, politischer Kontext, rechtlicher Rahmen sowie das wirtschaftliche und soziokulturelle Umfeld. Sie zeigt, wo die Arbeitsbedingungen besonders schwierig sind. In Kambodscha etwa ist die Punktzahl in der Kategorie Sicherheit stark gefallen. Im Dezember wurde dort der Journalist Chhoeung Chheng erschossen. Der 63-Jährige hatte zu illegaler Abholzung in einem Naturschutzgebiet recherchiert.

Berichte über Umweltthemen sind in Kambodscha besonders gefährlich

Lass uns über Kambodscha sprechen. Über die Verschlechterung der Medienfreiheit über die letzten Jahre kann man sich gut informieren. Kambodscha ist seit 2023 von „einer schwierigen Lage“ in „sehr ernste Lage“ gerutscht. Was heißt das konkret, was bedeutet das für die Journalist:innen vor Ort?

Asienkarte der Lage der Pressefreiheit Asienkarte der Lage der Pressefreiheit Für Journalist:innen bedeutet das zum einen, dass ihre Arbeit sehr gefährlich werden kann. Das gilt insbesondere für Recherchen zu Umweltthemen. Journalist:innen erleben zudem juristische Schikanen. Im vergangenen Jahr saß der Journalist Mech Dara einige Wochen in Untersuchungshaft. Er hat sich unter anderem durch Recherchen zu Menschenhandel und Cyberkriminalität einen Namen gemacht.

Zum anderen mussten zahlreiche kritische Redaktionen und damit potenzielle Arbeitgeber in den vergangenen Jahren schließen, darunter die Zeitung Cambodia Daily und Dutzende Radiosender. Im Mai 2018 erwarb ein malaysischer Unternehmer mit Verbindungen zur kambodschanischen Regierung die kritische Tageszeitung Phnom Penh Post.

Insgesamt müssen wir leider festhalten:

Kambodschas unabhängige Medien liegen in Trümmern.

Auch ausländische Medienschaffende können ins Visier geraten. Anfang 2025 wurde dem britischen Investigativjournalisten Gerald Flynn trotz gültigen Visums die Wiedereinreise verweigert. Er recherchiert seit fünf Jahren in Kambodscha zu Umweltthemen.

Sorge und Hoffnung

In Kambodscha wurden zahlreiche unabhängige Medien und auch die Ausbildung von Lokaljournal:istinnen über Programme oder Projekte von USAID finanziert. Diese Förderungen sind inzwischen weggebrochen – mit dramatischen Folgen für unabhängige Medien. Wie schätzt du das ein?

Die Auflösung von USAID hat schwerwiegende Folgen für Medien auf der ganzen Welt. Donald Trump hat zudem angeordnet, das Geld für die United States Agency for Global Media (USAGM) zu kürzen. Die Behörde ist für alle staatlich finanzierten Auslandssender der USA zuständig – unter anderem Radio Free Asia (RFA), die ja auch auf Khmer berichten. RFA-Präsidentin Bay Fang nannte die Kürzungen Mitte März „eine Belohnung für Diktatoren und Despoten, einschließlich der Kommunistischen Partei Chinas“. Wir teilen diese Sorge: Peking könnte das Vakuum mit Propaganda füllen. In einem Bericht haben wir bereits 2019 untersucht, wie China die Berichterstattung auch im Ausland beeinflussen möchte. In dem Kontext ist auch die Analyse der in Taiwan ansässigen Organisation Doublethink Lab interessant: Der China-Index untersucht den Einfluss des Regimes in Peking in neun Bereichen, unter anderem Medien, Wissenschaft und Militär. Demnach steht Kambodscha auf dem zweiten Platz von 101 untersuchten Ländern, der Einfluss ist also sehr groß.

Was mir trotz der schwierigen Bedingungen Mut macht: 2019 wurde die Cambodian Journalists Association (CamboJa) gegründet, die unabhängig berichtet und Journalist:innen unterstützt.

Wie kann man unabhängige berichtende Journalist:innen in Kambodscha unterstützen? Kennst du erfolgreiche Strategien oder Initiativen, die als Vorbild dienen könnten?

Eine Möglichkeit ist, dass kambodschanische Medien und Journalist:innen aus dem Exil weiterberichten und dafür gefördert werden. Wir sehen am Beispiel anderer Länder wie Myanmar, der Türkei oder Afghanistan, wie wichtig das ist und wie das funktionieren kann.

Wir bei Reporter ohne Grenzen bieten zudem verschiedene Stipendienprogramme an. Damit können sich Journalist:innen zum Beispiel in digitaler Sicherheit weiterbilden, oder sie können in einem sicheren Umfeld heikle Themen recherchieren. Manchmal helfen auch kreative Kampagnen, um Öffentlichkeit zu schaffen. So ermöglicht etwa unsere Kampagne „Fonts For Freedom“, dass die Schriftarten geschlossener Medien symbolisch weiter existieren und genutzt werden können. Eine Schriftart war die der Zeitung Cambodia Daily.

Auslandsmedien spielen ein wichtige Rolle

Welche Rolle spielen Auslandsmedien, die in Khmer berichten? Werden sie gelesen, gehört?

Ja. Wir haben im vergangenen Jahr berichtet, dass die Facebook-Seiten mehrerer kambodschanischer Exilmedien mit beleidigenden Kommentaren geflutet worden waren. Laut der CamboJA hatten regierungs- und armeefreundliche Konten zehntausende Hasskommentare auf den Seiten der Exilmedien Cambodia Daily, Voice of Democracy (VOD) und RFA veröffentlicht.

Wenige Tage vor den Wahlen im Jahr 2023 hatten die Behörden zudem den Zugang zu den Seiten von RFA und der Cambodia Daily gesperrt. Diese Angriffe zeigen, welch wichtige Rolle diese Medien spielen und wie sehr die Behörden ihre kritischen Berichte fürchten.

Neue Technologien und die zunehmende Digitalisierung verändern die Medienwelt stark. Inwiefern sind sie eine Chance – und inwiefern auch eine Bedrohung für den unabhängigen Journalismus?

Einige Punkte liegen auf der Hand und sind auch nichts Neues, etwa, dass uns in Regionen mit stark eingeschränkter Pressefreiheit Bürgerjournalist:innen über soziale Medien informieren können. Gleichzeitig steigt mit der digitalen Kommunikation das Risiko für Journalist:innen, überwacht zu werden. Ihr Telefon oder Computer könnte mit Spähsoftware infiziert sein. Das gefährdet natürlich den Quellenschutz. 2021 etwa wurde bekannt, dass Telefone von zehntausenden Politiker:innen, Menschenrechtsaktivist:innen und Journalist:innen potenziell durch die Spionage-Software Pegasus überwacht wurden. Auf der Liste der Telefonnummern fanden sich auch die von mehr als 200 Medienschaffenden.

Wie schätzt du die Zukunft der Pressefreiheit in Kambodscha ein?

Das ist schwer zu sagen. Was wir beobachten: Der neue Premierminister Hun Manet scheint die repressive Politik seines Vaters Hun Sen gegen Medien fortzusetzen. Was ich sicher sagen kann: Ich wünsche mir, dass meine Kolleg:innen dort kritisch und frei berichten können. Journalismus ist kein Verbrechen.

Anne Renzenbrink arbeitet seit 2016 als Asien-Referentin bei Reporter ohne Grenzen. Davor hat sie in Deutschland, China, Hongkong, Kambodscha und Nepal für Print- und Onlinemedien berichtet. Sie hat in Heidelberg Politikwissenschaft sowie in Shanghai und Taipeh Chinesisch studiert und ihren Master in Journalismus an der Universität Hongkong absolviert.

Das Interview führte Raphael Göpel (Stiftung Asienhaus) im Mai 2025.

Bildnachweise: Alle Grafiken mit Copyright Reporter ohne Grenzen

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